Sonntag

Für den heutigen Sonntag, bei uns zu Lande ist der 1. Sonntag im Oktober ja Erntedank, habe ich mir mal einen Kirchgang vorgenommen. Zwei Blocks weiter ist eine sehr schöne und prachtvolle evangelisch-lutherische Kirche. Mit Türmchen und allem drum und dran. Beginn ist um 11am und ich gucke um 10am schon mal raus. Kein Regen, 18 Grad C. Ich will mal nicht meckern. Es kommen mir zahlreiche Leute mit Medaillien um den Hals entgegen. Sie kommen aus dem Central Park. Mich packt die Neugierde. Man stelle sich das so vor. Diese Sportfreaks, und von denen laufen hier viele rum, haben an einem Sonntag morgen nichts Besseres zu tun als irgendwelche Laufwettbewerbe mitzumachen. Das machen die sicher jedes Wochenende. Das hebt den Medaillienspiegel. Ich gucke mir das bunte Treiben ein bisschen an. Mir ist aufgefallen, dass das Tragen von Pantallons in Kombination Shirt und Turnschuh hier zur Mode geworden ist. Also wer hier etwas auf sich hält, trägt sportlich vor. Da dabei die Figur eine untergeordnete Rolle spielt kommt das nicht immer sehr chic daher. Ich bestaune in der Nachbarschaft das Ghostbusters Gebäude und finde, es hebt sich gar nicht von den daneben stehenden Häusern ab. Schlimmer noch… ich kann mich aus den Filmen heraus nicht an das Gebäude erinnern. Daneben jedenfalls steht besagte Evangelische Kirche, die Türen weit geöffnet. Der Pastor in weißem Kleidchen begrüßt die Gemeindeglieder mit Handschlag. Ich versuche meinen Gatten anzurufen, um zu diskutieren, ob ich da wirklich rein gehen sollte. Er geht nicht ran, ich gehe rein. Treppchen hoch und der Pastor strahlt mich an. Jetzt Obacht. Mein erstes über sechs Sätze Gespräch. Was ich doch für einen großen HikingSack habe. Jaha I have many Things. Where i denn come from? Germany. Ach awesome, where? Hannover. Its amazing. My wife comes from Bremen. Ach this is near by. What ich hier mache? Alone? I am on Vacation and today in Gernmany is ja Erntedank. Er heißt mich jedenfalls willkommen und ich belege einen Platz einer Reihe. Schöne Kirche, riesige Orgel und schöne Fenster. Im Gang steht ein geschmücktes Taufbecken. Gut also Gottesdienst mit Taufe. Der Orgelmann beginnt seinen Dienst. Ganz großartig. Neben dem Altar geht eine Tür auf, heraus kommt eine Prozession. Mit einem Träger eines goldenen Kreuzes und allerlei anderen Dingen. Dem folgt der Chor, der einmal durch die Kirche marschiert und dann zur Empore zur Orgel verschwindet. Dann singen die los. Es hat nicht etwas von einem Gemeindechor, man denkt eher an einen Bachchor zum Heiligen Abend. Ganz krass. Die Liturgie ist ähnlich unserer nur eben amerikanisch und somit alles eine Schippe drauf. Pastor hält die Predigt, irgendwas mit Engeln für Dilon den Täufling. Kind wird dann auch getauft und alles schön, alle applaudieren und freuen sich und plötzlich passiert etwas, das kannte ich noch nicht. Alle, also alle fallen sich um den Hals und wünschen sich "Peace be with you". Sie gehen zu jedem und jeder hin, geben die Hand und wünschen Frieden. Das ist ja nett. Aus hygienischen Gründen etwas komisch, aber die kennen sich ja und die Bakterien bleiben in der Gemeinde. Ich stehe wie angewurzelt und beobachte, wie das in eine Riesenknutscherei ausartet und bin relativ unbeteiligt und ich schäme mich auch ein bisschen fremd. Dann kommen die freundlichen Menschen auch zu mir und lächeln und freuen sich. Na gut dann freue ich mich auch. Dachte ich doch, dass es das nun war, raffelt eine in weiß gekleidete die Utensilien für das Abendmahl raus. Auch spannend. Nicht wie bei uns stehen alle im Kreis und der Becher kommt zu einem, sondern es gibt zwei Schlangen und man bekommt die Oblate und trinkt oder dippt. Ich dippe. In Weißwein. Nach eineinhalb Stunden ist der Gottesdienst zu Ende. Der Pastor verabschiedet mich mit den Worten Guten Tag. Ich hatte keine Pläne für den weiteren Tag. Da es in New York keine Rolle spielt welcher Wochentag ist, ist alles möglich. Ich lasse mich treiben und hoppe dann auf den Doppeldecker der Linie blau. Das Ticket will ja auch ausgenutzt werden. Die blaue Linie fährt auf der rechten Seite des Central Parks in Richtung Norden, vorbei am Dakota Building wo einst John Lennon erst lebte und dann starb, unfreiwillig. Dann kann man einen schönen Ausblick auf den Hudson River werfen, bis es nach Harlem geht. Der Scherzkeksguide, im übrigen der Selbe wie den Tag zuvor, erzählt, dass der Bus keine schusssicheren Fenster hat. In Harlem ist das Leben anders als in den Teilen Manhattans die ich zuvor gesehen habe. Ich merke zu spät, dass der Bus am Apollo Theater hält und ich hätte aussteigen können, doch neben mir hatte am Gang eine sehr massige Frau platz genommen und die wäre im Leben nicht so spontan vom Sitzen ins Stehen gekommen um mich noch rechtzeitig rauslassen zu können. Also geht es auf der anderen Seite des Central Parks wieder in Richtung Süden. So sehe ich das Guggenheim Museum mal von außen und verstehe den Gag der Nachbarin, ich solle doch mal das Klo besuchen. Der Traffic kommt ins Stocken, weil irgendwo vorne die Straße wegen einer Demo gesperrt ist. Ich sehe nur viel Rot und Rauch und freue mich, dass gleich rechts abgebogen wird. Da stockt es dann auch wieder, weil irgendeine Parade ist. Die Fahrt mit dem Bus hat sehr lange gedauert, so dass sich manche Dinge nicht mehr so recht lohnen. Ich fand Harlem cool und will da noch mal hin, aber die Subway fährt nicht zwischen der 96th und 124th Staße, auf Busersatzverkehr hatte ich kein Bock. Also nix Harlem, wer weiß wozu es gut ist. Ich bummele und verspüre Durst. So ein Durst, den man mit Wasser allein nicht löschen kann. Auf der 7Av stehe ich vor einem stockdunklen Pub, genau das Richtige. Die Bedienung, eine rauhe Frau bringt Bier. Ich sitze am Tresen und gucke auf die Bildschirme. Es läuft Sport. Die rauhe Bedienung hat zwischen dem Spülen und Polieren von Gläsern und dem gelegentlichen Zapfen eines Bieres so Ausbrüche. "GO GO GO" oder "GOOOOOD MAN". Dann merke ich, dass sie den Golfer im TV anfeuert. Immer mal so zwischendurch. Ich bestelle mir noch ein Bier eine Nummer stronger. So ein Lager ist ja sehr mild. Neben mir haben in der Zeit wo ich da sitze zwei Menschen Platz genommen. Eine junge Frau mit einer Pudelmütze, die sich einen Whisky bestellt hat und ein älterer Herr, der Guiness wollte. Und innerhalb dieses Zeitraumes ist mir klar geworden, dass unsere Zivilisation im Grunde dem Untergang geweiht ist. Es kommt defacto zu keiner Unterhaltung mehr zwischen Menschen die sich nicht kennen, weil sofort nach setzen und Bestellung das Handy raus kommt. Ich höre mich leise sagen, dass ich mich so gerne mal unterhalten hätte, bezahle und gehe. Wie durch ein Wunder stehe ich nach 100 Metern vor Bruder Jimmy`s BBQ. Genau das, was ich jetzt brauche. Ich bestelle Pulled Turkey und Maccaroni mit Cheese. Das ist zum in die Knie gehen gut. Die Hoffnung auf Gesellschaft gebe ich nun endgültig auf und sehe mir auf dem Handy eine Folge meiner Lieblingsserie an. Nashville. Als ich aus dem Laden komme und mich mit Tränen in den Augen von diesem wundervollen Etablissment verabschiede bummele ich zu fuß nach Hause. Auf dem Columbus Circle, was eigentlich ein Verkehrskreisel ist, sind schöne beleuchtete Fontainen. Die gucke ich mir noch an und kehre dann ins YMCA zurück. Ich frage niemanden, ob er mich begleitet in den Elevator, freue mich aber, dass die Frau die mit einsteigt in den 13. Stock will. Im Kämmerlein mache ich den Fernseher an. Was läuft? Röchtöch- The Big Bang Theory. Ich mache mir noch ein Feierabendbierchen auf, für das ich schmeichelhafterweise meinen Ausweis vorzeigen musste, gehe noch mal laut Türen schlagend in den Restroom und schlafe dann. Gute Nacht Amerika.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert