Die erste Nacht

Die Nacht war ungewohnt. Mein Kämmerlein ist in Ordnung und das Bett zwar laut aber bequem, die Nachbarn sind es nicht. In einer Stadt die niemals schläft, schlafen auch die Leute nicht. Gegenüber meines Kämmerleins befindet sich die Damendusche nebst WC. Um dort hinein zu gelangen muss frau einen vierstelligen Code eingeben. Piep, piep, piep, piep und sssss- Tür auf. Ich erinnerte mich an einen Spruch aus dem Büchlein, welches mir mein Gatte geschenkt hat: „Das Rezept des Lebens ist ganz einfach: Man darf sich nicht über Dinge aufregen, die nicht zu ändern sind“. Ich ignoriere das jetzt einfach weg und bilde mir ein, ich hätte auch so einen Schlaf wie die, die einen tiefen Schlaf haben. Um sieben bin ich hoch. War schon hell. Jalousie mit zwei Fingern zart auseinandergedrückt, um einen Blick aus dem Fenster werfen zu können. Keine Ahnung was ich erwartet habe. Es regnete. Ich machte mich auf in das Abenteuer Duschen, Anziehen und unter Koffeinmangel leiden. Das ist wirklich ein Problem. Ich komme nicht an Kaffee dran, ohne wieder den Elevator nutzen zu müssen. Rein in die Klamotten und ohne Plan vor die Tür geschritten und für rechts rum gehen entschieden. Auf dem Broadway morgens um die Zeit ist schon eine Menge los. Das übliche Bild von Menschen, die in der einen Hand einen  Cafe to go und in der anderen ein Cellphone tragen. Die Dame wahlweise noch mit Handtasche in der Beuge. Kurz noch gesagt. Nach meinen Beobachtungen des heutigen Tages haben von 10 Leuten hier neun ein iPhone. Der eine andere hat ein anderes Gerät. Ich stehe plötzlich vor einem Breakfast Geschäft. Da kann man morgens Breakfast kaufen, mittags Lunch und abends… keine Ahung vermutlich Abendessen. Ich hatte nun schlimm Kaffeebedürfnis. First- Cafe please. Rest erst mal egal. Die Karte gibt einiges an Breakfast her. Leider bin ich mir über die Inhalte bei nicht allem im Klaren und meine Nachbar hatten auch noch nichts, wo ich hätte mit dem Finger drauf zeigen können:“That please“. Ich nehme irgendwas gescrumbeltes mit Avocado. Der Kaffee war schlimm. Mein Breakfast kam. Es war rund, Pfannkuchen auf schwarzen Beans mit Rührei und scharfer, roter Soße oben drauf plus halbierter und im Fächer geschnittene Avocado. Vom Geschmack her… interessant. Irgendwie. Das Lokal war aber sehr schön wenn auch wahnsinnig laut. Ich war erstmal satt und ich wollte einen leckeren Kaffee. Zunächst war mein Plan mit dem Big Bus, für den ich mir ab heute ein 48 Stunden Ticket gekauft hatte, zu fahren und damit in den Süden zu kommen. Irgendwie kam der Bus aber nicht und so bin ich mit der Expressmetro nach Soho gefahren. Soho, so ließt man, ist ein aufstrebender Streberstadtteil mit Charme. Das stimmt auch ein Stück weit. Aber es gibt auch ziemlich verwaiste Straßenzüge. Speziell und dafür auch bekannt, sind die außen liegenden Feuertreppen aus Eisen an jedem Haus. Dazu ein paar Klamottenläden von bezahlbar bis „habt ihr sie noch alle?“ Und ein paar nette Cafés. In so eins habe ich mich gesetzt. Schöne bequeme Stühle hatten die da. Neben mir saß ein Mann in einem noch bequemeren Stuhl, aber weil der wohl sehr bequem war, stand der nicht auf und ging weg, um mich den auch mal ausprobieren zu lassen. Ich saß dort lange und schrieb. Als ich ging, ging er auch. Soho geht nahtlos in Little Italy über, wenn auch nicht spurlos. Da ich da schon mal war und einfach eine andere Straße nahm fand ich mich plötzlich in Chinatown wieder. Wieder nahtloser Übergang nur mit Lampinions. Dieses Viertel ist krass für das ungeübte Auge. Es gibt Schaufenster, in denen komplette, wenn auch nackige und gebräunte Enten im Ganzen nebeneinander hängen. Alles dran. Dann Fischstände mit allem, was der Atlantik zu bieten hat. Aus hygienischen Gründen würde es diese Stände in Deutschland nicht geben. Gegen Mittag habe ich mir dann die nächste Big Bus Haltestelle gesucht. Ich hatte das Glück ganz oben ganz vorne sitzen zu können. Mit unter kommt so ein Bus ja nur minimal vorwärts, dafür hat man schön viel Zeit zu gucken.  Dazu noch ein bisschen Musik aufs Ohr, das geht auch bei Regen. Heute macht eine Gruppe von Leuten endlich mal wieder Geschäfte- die Umbrella-Dealer. Wo sie so urplötzlich die ganzen Schirme her haben? Aber die kennen das wohl schon. Die, die keinen Schirm haben und offensichtlich als Touristen erkennbar sind, tragen statt Schirm auch gerne solche Plastikganzkörperpellerienen die man bekommt, wenn es nieselt und in einem Doppeldeckerbus oben sitzten möchte. Ich trage einfach eine Regenjacke. Der New Yorker übrigens tut so, als wäre das Wetter so wie in den letzten Wochen auch. Sandalen, Flip Flops, Schlappen, T-Shirt und Shorts. Bin ja mal gespannt, ob ich das noch erlebe hier, dass die merken, dass Sommer over ist. Ich fahre also Bus. Von Süden nach Norden direkt am Hudson River entlang. Zwei Joggen mit nacktem Oberkörper. Männer wohlgemerkt. Ich gebe es auf mich zu fragen. Pennsylvania Station, kurz Pennstation steige ich aus. Hatte auf dem Weg auf der 8th Straße schöne Lädchen gesehen und wollte noch ein wenig bummeln. Bin keine 100 Meter gekommen und stehe vor „Brother Jimmy`s BBQ“ Ich werfe einen Blick dort hinein und ich war froh, dass es regnete, weil man meine Tränen dann nicht sehen konnte. Ein Tresen, Bildschirme auf denen unterschiedliche Sportsender liefen, bezaubernde (weibliche) Bedienungen, rot weiß karierte Vorhänge, alles aus Holz. Wie in Amerika. Ganz mein Geschmack. Dann warb man mit Pulled Pork und Fries- ich rein. Ich warte bis mich jemand seated und ich genieße die Atmosphäre während ich auf mein Draft Beer warte. Schöne Sache. Tolles essen. Als ich gewahr wurde, dass ich hier nicht einziehen konnte bin ich weiter. Die 8th Richtung Süden. An anderer Stelle habe ich es schon mal gesagt. Keine Stadt (die ich kenne) ist so einfach und genial strukturiert wie N.Y.C. Es kann einem nichts passieren. Also von der Orientierung her.  Ich stehe vor einem riesigen Supermarket. Die ziehen mich immer an und ich schlendere darin herum. Immer wieder fasziniert von den Größen von Allem. Ich kaufe Snapple Limo. Und dann wars wieder soweit. Ich kann dann auch nicht wegsehen. Ein Pet-Shop. Die Schaufenster zur Straße hin voller Hundewelpen- Shi-Tzus, Havaneser und Bolonkas. Ich muss rein. More Puppies inside. Es ist so unbeschreiblich traurig. In Aquarien auf Plastikgittern große und kleine Rassen, allesamt im Leben keine 8 Wochen alt und allein. Es riecht nach Sagrotan. Da gehen Familien hin, um sich einen Hund auszusuchen. „Oh cute“. Ich mache heimlich ein Foto und gehe wieder. Vermutlich kopfschüttelnd. Abschütteln. Satt und fröhlich und voller Pulled Pork und Fries komme ich wieder im YMCA an. Ich hatte Glück. Meine Fahrstuhlbegleitung hat Dienst, wir fahren hoch. Bestelle im Fahrstuhl nebenbei ein zusätzliches Bedcover, soo routiniert bin ich mit der Weile. Fernsehen an und aufs Bett gehauen. Ich habe die brillante Idee, um einem einigermaßen ruhigem Schlaf Vorschub zu leisten einen Zettel an schon besagte Klotür gegenüber zu hängen. Please close the Doors quietly. Mache ich. Hatte allerdings den Eindruck, dass es die Ladys, vielleicht aus Gehässigkeit, dazu animierte die Tür noch lauter zu knallen. Habe den Zettel wieder abgemacht. Krame die Ohropax raus, stopfe mir das Schaumsstoffmaterial in meine dafür viel zu kleinen Ohrmuscheln und gebe der Sache eine Chance. Es ist acht Uhr. Gute Nacht Amerika.

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